Trennung durch Abschiebung

Liebe Studierende,

wie viele von Euch wissen wurde die Familie einer Kommilitonin, Ende Januar abgeschoben. Es gab eine Protestkundgebung, an der auch wir teilnahmen. Nun erhielt der Fachschaftsrat eine Email, die ebenfalls auch an die Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen ging. Diese dürfen wir mit Erlaubnis der Urheberin veröffentlichen. Ich habe zum Schutz die Namen abgekürzt.

Sehr geehrte Oberbürgermeisterin,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe KollegInnen und Freunde,

diese zweite E-Mail, die sich noch einmal mit der Trennung der Familie Z. – H. aus Armenien befasst, schreibe ich vor allem als Sozialpädagogin und Leiterin der Beratungs-und Koordinierungsstelle „Migration und Pflege“. Diese Stelle wurde vom Land Rheinland-Pfalz und der Stadt Ludwigshafen eingerichtet. Eine der Hauptaufgaben dieser Stelle ist es, die Lebensbedingungen von pflegebedürftigen eingewanderten Menschen und ihren Familien auf der praxisrelevanten sowie auf der versorgungspolitischen Ebene zu verbessern. Diese wichtige Aufgabe der Sozialen Arbeit werde ich auch weiterhin gerne erfüllen, solange ich das machen darf.

Diese E-Mail geht an sehr viele Menschen. Alle, die sich vom Thema nicht angesprochen fühlen, können diese E-Mail einfach löschen. Herzlichen Dank aber möchte ich sagen für die enorme Unterstützung an viele meiner Kollegen und Kolleginnen und einfachen BürgerInnen dieser und nicht nur dieser Stadt, den Bürgerinitiative: „Respekt Menschen, herzlichen Dank der gesamten Hochschule Ludwigshafen, aber auch den Menschen in Armenien und vor allem an der Universität Eriwan, die diese Geschichte mitverfolgt haben, wie auch der Presse und dem Fernsehen, die den Fall verschiedentlich beleuchtet haben! Jeden Tag bekomme ich viele Emails von unterschiedlichen Organisationen und Privatpersonen, die ihr Entsetzen über diese Abschiebung zum Ausdruck bringen und bereit sind, jede Hilfe zu leisten, soweit das möglich ist. Sie sagen mir, dass ich mich unbedingt an die Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen wenden soll, denn sie sind sicher, dass für sie Gerechtigkeit und Menschlichkeit nicht nur leere Worte sind. Das mache ich jetzt zum zweiten Mal.

(Anbei der Link mit der Reportage über diese Familie und das Interview mit dem Dezernenten Herrn Feid.)

SWR/Landesschau Rheinland-Pfalz http://www.ardmediathek.de/tv/Landesschau-Rheinland-Pfalz/Abschiebung-nach-Armenien-Familie-wurde/SWR-Rheinland-Pfalz/Video-Podcast?bcastId=207880&documentId=50272598

Seit meiner ersten E-Mail sind einige Wochen vergangen, jetzt möchte ich Bilanz ziehen:

  1. Die Integration der geflüchteten Menschen, die nun in Ludwigshafen leben, ist eine große Herausforderung, so sagt es auch die Ludwigshafener Integrationsbeauftragte der Zeitung „Rheinpfalz“ in einem Artikel, in dem sie die Integrationsbemühungen der Stadt Ludwigshafen als vorbildlich herausstellt. Aber: Viele Menschen, vor allem die Ehrenamtlichen, die sich für die Rechte der Flüchtlinge in dieser Stadt einsetzen, sich z. B. im Cafe Asyl engagieren, sagten uns bei der Demonstration und schreiben mir jeden Tag, wie empört und tief betroffen sie über das sind, was in Ludwigshafen der Familie Z. – H. durch die Ausländerbehörde angetan worden ist. Ich zitiere einen Brief: „Es ist verstörend, sich die Dramatik dieser Nacht vom 30.auf den 31.01.18 vorzustellen, wie reibungslos die Maschinerie funktioniert. Wir kommen nicht umhin, dabei an Hannah Arendt und die “Banalität des Bösen” zu denken“. Viele BürgerInnen haben die Kampagne “Flüchtlinge willkommen in Ludwigshafen” unterstützt – “weil wir Menschen sind, weil Menschlichkeit grenzenlos ist, weil Inklusion in den Köpfen anfängt”. Jetzt sind sie enttäuscht und sehen die Willkommenskultur und Integrationspolitik der Stadt Ludwigshafen als eine Farce, als eine substanzlose politische Rhetorik, wenn mit der Abschiebepolitik der Stadt ehrliche Integrationsbemühungen zunichte gemachen werden und nichts als verlogene und konstruierte Wirklichkeit, die es in der Wirklichkeit gar nicht gibt. Auch Prof. Dr. Krieger hat in seiner Kundgebungsrede vor der Ausländerbehörde und auf dem Rathausplatz angesichts der Abschiebeentscheidung berichtet, dass die Willkommenskultur der Stadt Ludwigshafen nur noch als ein „humanistischer Fake“ betrachtet wird. Die Integrationspolitik einer Stadt kann und darf sich nicht feige den Wünschen nach einer humanistisch rücksichtslosen Abschiebestatistik unterwerfen. Und die Ausländerbehörde der Stadt darf nicht zu einem Gräuel für die Ausländer geraten! Wenn eine Familie, die die höchsten

Integrationsleistungen und -bemühungen unter den schwierigsten gesundheitlichen Lebensbedingungen zeigt, infolge einer behördlichen Entscheidung ohne Rücksicht auf die humanitären Folgen getrennt und zerstört wird und ein kranke Mutter mit der Betreuung und Versorgung ihres schwerbehinderten Kindes allein gelassen wird, wie sollen die Menschen dieser Stadt, und allen voran diejenigen, die sich hier schon so lange ehrenamtlich engagieren, dann noch in die Intergrationspolitik ihrer Stadt Vertrauen haben können?

  1. Zu den Fakten und zur Stellungnahme der Stadtverwaltung und der Ausländerbehörde Ludwigshafen für die Presse, kurz zusammengefasst:

Flüchtlinge kommen nach Deutschland nicht mit einem Visum. Selbstverständlich hat die Familie mehrfach versucht, ein Visum zu bekommen, das war seitens der Ausländerbehörde und der Deutschen Botschaft in Armenien aber nicht möglich. Sie sind geflüchtet, um aus humanitären Gründen einen Aufenthalt zu bekommen und zusammen sein zu können mit ihrer Familie und die kranke Mutter und das behinderte Kind unterstützen zu können. Jeder Flüchtling, dessen Antrag vom Bundesamt abgelehnt wird, wird automatisch ausreisepflichtig und wird über die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise sowie zur Rückkehrberatung unterrichtet. Das ist eine gewöhnliche Vorgehensweise. Wie die Stadt berichtet, seien dem Vater und dem Sohn vor der Abschiebung „großzügige Fristen für eine freiwillige Ausreise gesetzt worden“. Was soll hier „großzügig“ gewesen sein? Tausende Flüchtlinge in Deutschland werden jahrelang!!!! geduldet. Die beiden waren im Besitz einer bis zum 5. März gültigen Duldung seit ca. 7 Monaten. Wir lesen: „Die Abschiebung im genannten Fall wurde nach dem Eindruck der Stadtverwaltung von den betroffenen Personen bewusst verzögert und erschwert.“ Ich bin sprachlos und fassungslos: Diese Menschen haben mit eisernem Willen versucht, der Stadt Ludwigshafen und der Ausländerbehörde zu beweisen, dass sie würdig sind, hier in Deutschland zu bleiben, eine Zukunft aufzubauen mit wirtschaftlicher Selbständigkeit und zur Unterstützung von Mutter und Tochter zusammen zu leben. Der 18-jährige Armen hat mit großem Erfolg in kürzester Zeit das B1- Sprachniveau erreicht. Er hat eine Ausbildung gefunden, er hat 5 Monate die Ausbildung wahrgenommen und zuverlässig gearbeitet, eine Ausbildungsvergütung in Höhe von über 500 Euro monatlich bekommen. Der Arbeitgeber war höchst zufrieden mit ihm. Armen hat mir voller Stolz gesagt (eine Woche vor der Abschiebung!), dass er jetzt schon ein Deutscher ist und so große berufliche Pläne hat. Der Anwalt hat im August 2017 die Ausländerbehörde Ludwigshafen angeschrieben und die Erteilung der Ausbildungsduldung für den jungen Mann beantragt. Er hat jedoch die Antwort auf den Antrag, verbunden mit der Ablehnung, zynischerweise erst nach Vollzug der Abschiebung mit Schreiben vom 02.02.2018 bekommen! Handelt es sich nicht um einen absichtlichen Verfahrensfehler seitens der Ausländerbehörde!? Dieses Schreiben liegt mir vor. Die Ausländerbehörde war lange schon davon unterrichtet, dass der Junge die Ausbildung macht, und Frau Z. hatte ein Schreiben der Ausländerbehörde bekommen, dass sie zwecks Erteilung der Ausbildungsduldung den Pass bei der armenischen Botschaft beantragen solle. Darum hat sich Frau Z. auch bemüht, kam jedoch an die Grenzen ihrer Kräfte, da die armenische Botschaft den Pass einfach nicht ausstellen wollte. Krank und alleinerziehend mit einem pflegebedürftigen schwerbehinderten Mädchen hat sich Frau Z. mit all ihr zur Verfügung stehenden Kräften bemüht, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, hat die deutsche Sprache mit viel Fleiß und Begeisterung gelernt, ein Studium der Sozialen Arbeit aufgenommen und wurde noch vor wenige Monaten mit dem Preis des DAAD für ihr soziales Engagement und für hervorragende Leistungen als ausländische Studierende ausgezeichnet. Bekannt war auch, dass Aram, Frau Z. Ehemann und Vater von Lina, das Kind in der Zeit des Praktikums seiner Frau liebevoll pflegte und so die Durchführung des Praktikums überhaupt erst möglich machte. Bekannt war auch, dass für den Vater – übrigens einen Tag nach der Abschiebung – ein Operationstermin wegen eines unklaren Tumors anstand.

Der Ausländerbehörde war bekannt, dass die Familie umgehend einen Antrag bei der Härtefallkomission stellen wollte. Und wir alle sind überzeugt, dass die Härtefallkomission in diesem Fall positiv entschieden hätte. Armen und

Aram befanden sich im Besitz einer zweimonatigen, bis 5. März gültigen Duldung.

WARUM hat die Ausländerbehörde der Familie diese Möglichkeit genommen, den Antrag zu stellen und so zusammenbleiben zu können??

Schockierend zynisch finde ich die Aussage von Frau A. aus der Ausländerbehörde in einem Gespräch mit Frau Z.: „Sie haben schon lange getrennt gelebt, warum soll es so auch nicht weiter gehen?“ Wenn Frau A. sich nur vorstellen könnte, welchen Kampf diese ganz einfache Familie aus Armenien geführt hat um mit ihrem schwerbehinderten Kind zu überleben, die Familie und ihre Unterstützungsressourcen zu erhalten und als Familie zusammen sein zu können, wäre sie zu einer solchen Äußerung sicherlich nicht in der Lage. Unnachvollziehbar ist auch der Modus des Abschiebevollzugs: Diese eilige und überfallartig vollzogene Abschiebung war absolut nicht notwendig. Früher habe ich sowohl bei der Migrationsberatung der AWO Ludwigshafen als auch im Sozialdienst der Stadtverwaltung Heidelberg gearbeitet. Ich weiß daher sehr genau, wie ähnliche Entscheidungen getroffen werden, wie groß der Ermessenspielraum ist und welche Bedeutung den Ermessenentscheidungen zukommt um humanistischen Erfordernissen gerecht zu werden. Ich werde jetzt keine Paragraphe nennen, aber ich bin wie viele andere Fachkräfte absolut überzeugt, dass die weitere Verlängerung der Duldung dieser Familienangehörigen und die Möglichkeit der Antragstellung bei der Härtefallkomission wegen der tatsächlichen Härte dieses Falles geboten war. Die Worte des Dezernenten „besondere Gründe (für das Hierbleiben), die grundsätzlich möglich sind, liegen hier nicht vor”, zeugen entweder von der Unkenntnis der Fall-Lage oder von der Ignoranz gegenüber Maßstäben der Menschlichkeit.

Welche Gründe könnten denn noch für eine besondere Härte vorgebracht werden, wenn nicht diese!?

Regelrecht süffisant empfinde ich die Sätze der Stadtverwaltung: „Die Abschiebemaßnahme selbst lief aus unserer Sicht sehr ruhig und geordnet ab. Die Betroffenen waren dabei sehr kooperativ.“ Als ob solches Verhalten der Betroffenen die Legitimität des Vorgehens ersetzen könnte! Diese Menschen haben sich natürlich nicht gewehrt, das war der Ausländerbehörde von Anfang an klar, dass die sich nicht wehren werden.

Die Familie ist nun zerstörst, es war für alle ein Albtraum, Frau Z. schläft kaum mehr nachts, bei jedem Geräusch wacht sie auf. Es geht hier für diese Frau um ein höchst traumatisierendes Erlebnis. Man muss sich das Ausmaß des Geschehenen in dieser Nacht vor Augen führen.

Jeden Sachverhalt kann man unterschiedlich auslegen und interpretieren. Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Stadtverwaltung ausschließlich die Stellungnahme der Ausländerbehörde eingeholt hat! Zu jedem einzelnen Punkt gibt es seitens der Fachkräfte und der Rechtswissenschaftler gewichtige Argumente um viele Aussagen, um die von der Ausländerbehörde aufgeführten Paragrafen in Frage zu stellen oder zu widerlegen.

Es fällt mir sehr schwer diese Email zu schreiben, aber ich möchte dieses Schreiben nicht beenden, ohne an dieser Stelle auch ein Wort des Dankes zu sagen: der Hochschule Ludwigshafen, dem Präsidenten der Hochschule Prof. Dr. Mudra, der Dekanin des Fachbereiches für Soziale Arbeit Prof. Dr. Ellen Bareis, dem Auslandsbeauftragten des Fachbereiches für Soziale Arbeit Prof. Dr. Wolfgang Krieger, den Dozenten und der gesamten Fachschaft der Hochschule. Ich war stolz auf diese Hochschule, an der auch ich Soziale Arbeit studiert habe, auf diese Bildungseinrichtung, die gegen inhumane Entscheidungen der lokalen Ausländerbehörde protestiert und sich für die Menschenrechte und den Schutz dieser Familie eingesetzt hat. Das sind Werte, die während des Studiums von der Hochschule vermittelt wurden und auch weiter vermittelt werden.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal den Präsidenten der Hochschule Prof. Dr. Peter Mudra zitieren: „Mit großer Freude und Erfolg studiert Lusine Z. an unserer Hochschule Soziale Arbeit. Ein Fach, das – wie sie in ihrer Dankesrede bei der DAAD-Preisverleihung erklärte – nicht nur ihren Neigungen entspreche, sondern mit welchem sie in ihrer zukünftigen Berufsrolle anderen Menschen helfen – und damit auch etwas zurückgeben – könne. Die nun eingetretene Entwicklung erscheint mir völlig unverständlich und widerspricht dem Gebot der Mitmenschlichkeit. Nach meinem Verständnis beinhaltet Bildung als gesellschaftliche Aufgabe immer auch ein Bekenntnis zur Humanität. Als Leiter einer Bildungseinrichtung werde ich daher aus fester Überzeugung inhumanes Verhalten immer kritisieren und mich selbstverständlich für unsere Studierende und ihre Familie

einsetzen.“

Ich hoffe sehr, dass die Humanität und das Gebot der Menschlichkeit nun in der Stadt Ludwigshafen doch die Oberhand gewinnt. Ich bitte alle, die die Möglichkeit haben dieser Familie zu helfen, etwas konkret zu tun. Ich starte eine Petition, der Sie, Frau Oberbürgermeisterin, entnehmen werden, wie viele Fachkräfte und Bürger dieser Stadt hinter dieser Familie stehen. Ich versuche auch auf der Landesebene für das Leid dieser Familie das Gehör zu verschaffen. Auch für die Einladung zu einem Gespräch wäre ich Ihnen dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Larissa B.

Der Fachschaftsrat des Fachbereichs IV zeigt sich solidarisch unserer Kommilitionin und verurteilt Abschiebungen!

Protest gegen die Abschiebung von Armen und Aram H.!

Gestern gegen 15 Uhr versammelten sich viele Menschen vor der Ausländerbehörde, um gegen die Abschiebung von der Familie unserer Kommilitonin Lusine zu protestieren. Ihr Mann und ihr 18-Jähriger Sohn wurden nachts abgeschoben. Es waren Mitglieder der Hochschulleitung, der Hochschulverwaltung , des Studierendenparlaments, des AStA, des Fachschaftsrats des FB IV und auch Studierende der Hochschule vor Ort. Außerdem noch diverse Organisationen, die sich gegen die aktuelle Flüchlingspolitik auflehnen und für die geflüchteten Menschen engagieren, unter anderem „Respekt Mensch“.

In einigen Redebeiträgen wurde die Lage geschildert und auch schlüssig aufgezeigt, wieso diese Abschiebung geheilt werden muss.

Zum Hintergrund: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion von Ludwigshafener Ausländerbehörde und Polizei wurden am 31.1.2018 der 18-jährige Sohn und der Ehemann unserer Kommilitonin Lusine Z. nach Armenien abgeschoben!

Im letzten Jahr ist es der Familie nach 4 (!) Jahren, in denen Lusine hier in Ludwigshafen ohne die Unterstützung ihres Ehemannes Aram für sich und Lina kämpfen musste, endlich gelungen, sich wieder zu vereinen. Aber Lusines Kampf hörte auch jetzt nicht auf. Auch wenn für sie und ihre Tochter ein bestandskräftiges Abschiebeverbot und ein Aufenthalt nach § 25 III AufenthG gilt, ihr Mann und ihr Sohn lebten seither in Duldung, und damit die ganze Familie in ständiger Angst, die wiedergefundene wechselseitige Unterstützung und Nähe wieder zu verlieren.

Die Familie hat es geschafft, dank ihres unermüdlichen Integrationswillens und der Aktivierung jedweder Ressourcen, innerhalb kürzester Zeit für den Sohn Armen einen Ausbildungsplatz im Gastronomiegewerbe zu finden. Auch die B1- Sprachprüfung hat er mit Bravour bestanden. Ihr Mann Aram betreute und pflegte Lina, damit sie ihr praktisches Studiensemester im Klinikum Ludwigshafen absolvieren konnte, was ohne Arams Unterstützung kaum möglich gewesen wäre. Sämtliche Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen, die mit dem Fall der Familie vertraut sind, erkennen die außerordentlichen Bemühungen zur Integration der Familie an und engagieren sich für das gesundheitliche Wohl der Mutter und das Wohl des Kindes Lina.

Der Ausländerbehörde in Ludwigshafen lagen alle Unterlagen vor, die die besondere Härte des Falles deutlich werden lassen. Für eine solche Abschiebung gab es keinen zwingenden rechtlichen Grund! (Quelle: Rundmail vom 16.02.18 an alle Studierenden, Autorin gab ihr Einverständnis zur Veröffentlichung)

 

In der Ansprache des Fachschaftsrats ging es vornehmlich um Kritik an der Abschiebepraxis zu üben und einen Blick auf die Fluchtursachen und den dafür verantwortlichen Kapitalismus zu werfen. Herr Prof. Krieger nahm in seiner Funktion als Auslandbeauftragter des Fachbereichs IV kritisch Stellung, ob er denn noch in seiner Funktion Werbung für Ludwigshafen machen kann.

An diesem Tag wurde die klare Haltung der gesamten Hochschule Ludwigshafen gezeigt und wir danken sehr dem Präsidenten, unserer Dekanin, allen Lehrenden, Studierenden und Anwesenden für ihre Unterstützung!

Weiterhin ist es äußerst bedauerlich, dass die Ausländerbehörde sich in öffentlichen Statements als Marionette des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge äußert:

Die Ludwigshafener Stadtverwaltung jedoch weist diese Darstellung zurück: „Wir weisen darauf hin, dass Entscheidungen darüber, ob Personen Asyl in Deutschland gewährt wird, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge obliegen.“ Rheinpfalz vom 20.02.2018.

Diese Darstellung ist aus unserer Sicht unvollständig, denn auch wenn eine „vollziehbare Abschiebung vorliegt“ muss die jeweilige kommunale Behörde, in unserem Fall Ausländerbehörde Ludwigshafen, entscheiden, ob die Abschiebung auch tatsächlich durchgeführt wird!

Was auch immer die Ausländerbehörde dazu bewogen hat diese Abschiebung durchzuführen, wir verlangen von der Ausländerbehörde Ludwigshafen, dass sie diese Entscheidung zurücknimmt. Die Familie wieder zusammenführt und für die entstanden Kosten einsteht.

Es geht hier um Menschen, um Familien und nicht um Akten oder Statistiken, die erfüllt werden müssen. Familien gehören zusammen und Abschiebungen abgeschafft!

Wir vom Fachbereich IV sind prinzipiell gegen Abschiebungen! Familien gehören zusammen! Wir wollen, dass humanitäre Hilfe immer und überall gewährleistet werden kann. Wir wollen keine Mauer um Europa!

Wortbeitrag zum Nachlesen bei der Protestkundgebung

Liebe Alle,

wir, der Fachschaftsrat des Fachbereichs Vier der Hochschule Ludwigshafen zeigen uns solidarisch mit unserer Kommilitonin und allen anderen von Flucht und Abschiebung betroffenen Menschen.

Die Abschiebung von Lusines Mann und ihrem Sohn in der Nacht vom 30. Januar auf 31.01. Januar ist ein Beispiel für die unmenschliche Asylpolitik Deutschlands und im Gesamtkontext auch das Ergebnis globaler Macht- und Herrschaftsverhältnisse.

Die weltweite Kluft zwischen arm und reich, die zahlreichen Kriegsschauplätze und die Millionen von Elend und Armut betroffenen Menschen sind keine zufällige Erscheinung. Sie sind Ergebnisse globaler Macht- und Herrschaftsverhältnisse und des ungleichen Besitzes an Reichtum und Bodenschätzen. Sie sind das notwendige Resultat des Kapitalismus – einem System, das nicht an dem Wohl und den grundlegenden Bedürfnissen der Menschheit ausgerichtet ist, sondern an den Milliardengewinnen von Unternehmen und Konzerne.

Die Konfrontation mit von Krieg, extremer Armut und Naturkatastrophen betroffenen Menschen findet verstärkt nicht mehr nur medial statt. Zunehmend sind wir in den Metropolen der westlichen Industriestaaten mit den betroffenen Menschen unmittelbar und direkt konfrontiert. Sie sind keine bloßen Zahlen, sondern steigen aus Zügen in den Bahnhöfen der Großstädte, besetzen aus Protest öffentliche Plätze und leben in Flüchtlingsunterkünften in direkter Nachbarschaft oder wie in diesem Beispiel, wenn es eine Kommilitonin betrifft.

Länder und Unternehmen, die mit dieser Ausbeutungspolitik Flucht verursachen können sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Doch genau dies findet statt. Die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl in der Bundesrepublik wurde zum Grundpfeiler des heutigen EU-Grenzregimes. Nicht nur die Zahl kriegerischer Auseinandersetzungen ist extrem hoch, sondern auch die Asyl- und Abschiebepolitik in Deutschland ist so zugespitzt wie noch nie. Der staatliche und gesellschaftliche Rassismus hat in Deutschland zugenommen und wird – nach dem Einzug der AfD in etliche Landesparlamente und in den Bundestag – weiter an Fahrt aufnehmen.

Jahrzehntelang ist es den Herrschenden gelungen, die schärfsten Auswirkungen und Krisenerscheinungen des globalen Kapitalismus in Länder außerhalb der Europäischen Union abzuwälzen. Doch die Rechnung geht nicht mehr auf: Selbst die Überwachung und militärische Sicherung der EU-Außengrenzen kann nicht verhindern, dass sich Geflüchtete für ein Leben in Sicherheit auf den Weg nach Europa machen. Immer höhere Stacheldrahtzäune oder der vorgebliche Kampf gegen organisierte Schlepperbanden im Mittelmeer werden nicht zu einer Aufhebung von Flüchtlingsbewegungen führen.

Flucht muss in diesem Kontext betrachten werden: Als Resultat von ökonomischen, politischen und militärischen Interventionen durch (vor allem) die westlichen Metropolen. Dafür ist es nötig, einen tiefer gehenden Blick auf die – dem Kapitalismus innewohnenden – Zwänge zu werfen, die zu den genannten Interventionen führen. Die Fragen, die wir uns stellen sind: Was sind Ursachen von Flucht? Welche Rolle spielen dabei Kriege und wirtschaftliche Ausbeutung? Was hat das alles mit Deutschland und dem Kapitalismus zu tun?

Diese drei Fluchtursachen vereint ein gemeinsamer Ursprung. Hauptverantwortlich für Krieg, Armut und Umweltzerstörung sind die westlichen Industriestaaten. Als drittgrößter Waffenexporteur und wirtschaftliche Führungsmacht spielt Deutschland eine bedeutende Rolle bei der globalen Verursachung von Flucht.

Deshalb fordern wir: Keine Abschiebung von Flüchtlingen und offene Grenzen für alle!

Kein Mensch flieht grundlos aus seiner Heimat. Den vielbeschworenen Asylschmarotzer gibt es nicht. Genauso wenig gibt es bessere oder schlechtere, akzeptable und nicht-aktzeptable Fluchtgründe. Menschen, die vor Hunger, Armut, Umweltzerstörung oder Bürgerkrieg fliehen, müssen das gleiche Bleiberecht in Deutschland haben wie politisch Verfolgte oder Folteropfer. Die Fluchtgründe sind vielfältig und nicht in eine Rangordnung zu pressen. Fluchtgründe dürfen nicht aus strategischen Gründen akzeptiert oder abgelehnt werden. Herkunftsland oder Fluchtweg dürfen nicht die für den Asylantrag maßgeblichen Kriterien sein. Neben einem Asylgesetz, das Verfolgten Sicherheit gewährt, muß vor allen Dingen die Verhinderung von Fluchtursachen Ziel der Flüchtlingspolitik sein und nicht die geflüchteten Menschen. Kein Mensch ist illegal. Vielen Dank!