Offener Brief des Fachschaftsrates des Fachbereich 4

Wir vom Fachschaftsrat des Fachbereichs 4 möchten hier zu den Besonderheiten der Studierendenschaft am Fachbereich 4 im Umgang mit der Corona-Krise und deren Auswirkungen auf Studium und Lehre Stellung beziehen.

Zu aller Erst möchten wir jedoch den Studierenden danken, welche zahlreich an der Umfrage teilgenommen haben. Anhand der großen Teilnahme innerhalb weniger Tage und der vielen Nachrichten, die uns auf anderen Wegen erreicht haben, wird eine besonders hohe Betroffenheit der Studierenden an unserem Fachbereich durch die aktuelle Situation ersichtlich.

Wir hoffen, dass auch diejenigen, die aus verschiedenen Gründen nicht an der Umfrage haben teilnehmen können, sich in diesem Brief trotzdem wiederfinden und vertreten fühlen.

Natürlich haben wir Verständnis dafür, dass auch die Hochschul- oder Fachbereichsleitungen erst Abwarten mussten und selbst vor Probleme gestellt wurden, auf die es keine einfachen Antworten geben konnte. Allerdings hätte hier durch eine frühere Einbeziehung der Studierendenschaft und ein transparenterer Umgang einigen Sorgen im Voraus entgegengetreten werden können. 

Dies führt uns bereits zu einem ersten Kritikpunkt, der sich auch in den Ergebnissen der Umfrage wiederspiegelt. Viele Studierende haben angegeben, dass die Einbeziehung der Studierenden in dieser besonderen Situation kaum stattgefunden habe und viele sehr lang im Unklaren gelassen wurden, was das Fortgehen des Semesters angeht.

Aus der Umfrage kann entnommen werden, dass etwa 20% der teilnehmenden Studierenden aufgrund technischer Schwierigkeiten Probleme haben an den Online-Veranstaltungen teilzunehmen.

Bei der Abfrage, ob „persönliche Gründe“ zu Problemen für die Teilnahme führen haben bereits ca. 45% angegeben eher schlecht oder sehr schlecht teilnehmen zu können.

Eine besondere Herausforderungen sahen die Studierenden in der Umstellung von Präsenzlehre, auf eine nahezu autonomes Onlinestudium. Dabei wurde beklagt, dass die Online- Angebote erst nach einigen Wochen ins Laufen kamen, obwohl die Rückkehr zur Präsenzlehre von Anfang an als sehr unwahrscheinlich eingestuft werden konnte.

Neben fehlendem Austausch untereinander oder mit den Lehrenden und einem Alltag ohne gewohnte Struktur, sahen sich viele Studierende mit dem erschwerten Zugang zu Literatur, Lehrmaterial und Veranstaltungen konfrontiert.

Bei der Frage, welcher Faktor die Teilnahme konkret einschränkt, wird das Fehlen eines geeigneten Lernumfeldes am häufigsten angegeben, gefolgt von technischen Problemen und der Unvereinbarkeit mit dem Beruf. Knapp über zehn Prozent geben zudem an, dass die psychische Belastung sie einschränke. In den schriftlichen Eingaben wird häufig genannt, dass die parallele Nutzung verschiedenster Systeme der Online-Lehre und Organisation der Lehrinhalte als verwirrend und sehr aufwendig erfahren werde und zudem die Differenzen zwischen Dozierenden sehr hoch seien, was das Angebot an Material, Veranstaltungen und Betreuung anginge.

Insgesamt macht das Ergebnis der Umfrage deutlich, dass sich die Organisation des Studiums deutlich schwieriger und zeitaufwändiger gestaltet und gleichzeitig die Lernumgebung kaum hergestellt werden kann, die für die nachhaltige Verinnerlichung der Inhalte notwendig ist. So ist es die fehlende Struktur, welche mit Abstand als häufigste Ursache für die Mehrbelastung angegeben wird. Gerade an unserem Fachbereich sind Diskussionen und gemeinsames Erarbeiten von Inhalten wichtiger als auswendig lernen oder Wissen nur reproduzieren zu können. 

Die deshalb wohl einschneidendste Maßnahme für die meisten stellt somit der Ausfall der Präsenzlehre am Fachbereich 4 für das gesamte Semester dar. Nachdem es erst eine Weile dauerte, bis ein Mindestangebot überhaupt online verfügbar war, bleibt die Frage offen, wie mit Studierenden verfahren wird, welche weder die technischen noch räumlichen Möglichkeiten haben über diese Wege an den Veranstaltungen teilzunehmen.

Aus diesen Ergebnissen ziehen wir folgende Forderungen:

  • Das Online-Angebot müsse vereinheitlicht, am Stundenplan orientiert strukturiert und auf eine überschaubare Anzahl von Plattformen (z.B.: Teams/Zoom + OLAT) gebracht werden. 

Hier könnte z.B. eine Übersichtsliste mit den jeweiligen Dozierenden, deren verwendeten Plattformen und Online-Lehrangeboten sehr von Vorteil sein.

  • Der Zugang zu Lerninhalten müsse unbeschränkt hergestellt werden können.
  • Die Inhalte sollen langfristig verfügbar bleiben.
  • Die Ausleihe von Medien müsse schnellstens wieder ermöglicht werden.
  • Schnellstmögliche Bereitstellung von Lernräumen, in denen der Infektionsschutz eingehalten werden kann.
  • Bereitstellung technischer Mittel zur Teilnahme an der Online- Lehre für Studierende mit Bedarf.

Auch die finanzielle Belastung ist für mehr als 50% der Studierenden von Bedeutung und wirkt sich auf verschiedene Lebensbereiche und damit auch das Studium aus.

Als Konsequenzen werden vor allem Beeinträchtigungen auf Prüfungen angegeben. 6,5% haben aber auch angegeben, dass sie überlegen das Studium abzubrechen. 

Nur etwa ein Drittel war sich sicher, dass die Möglichkeit gegeben sein wird Prüfungsleistungen abzulegen. Etwa 55% fühlten sich dabei jedoch eher schlecht oder sehr schlecht über die Prüfungsmöglichkeiten informiert und etwa 75% sogar eher schlecht oder sehr schlecht darauf vorbereitet.

Etwa dreiviertel der Studierenden geben an eine Fortführung des Semesters zu bevorzugen und etwa 12% wünschen sich ein “Nichtsemester”.

Schließlich möchten wir noch einmal auf die besondere Zusammensetzung der Studierendenschaft am Fachbereich 4 hinweisen. 

Wahrscheinlich ist nicht nur die Altersstruktur an unserem Fachbereich eine signifikant andere als in den anderen Fachbereichen/Studiengängen, sondern befinden sich darunter auch etliche Studierende mit besonderen familiären und beruflichen oder praxisnahen Verpflichtungen, Kontakt zu Risikogruppen oder gehören selbst Risikogruppen an.  

Aus den vielen persönlichen und individuellen Problemlagen ergeben sich Situationen, welche durch allgemeine Maßnahmen nicht immer abgedeckt werden können. 

Deshalb fordern wir zudem:

  • Zentrale Ansprechpartner*innen für individuelle Probleme zu benennen und zu veröffentlichen.
  • Alles dafür zu tun, dass eine weitere finanzielle Schlechterstellung vermieden wird und für eine Anpassung der Regelungen bezüglich BaföG, Stipendien, Studienkredite, etc. einzutreten, wo es möglich ist.

Des Weiteren zeigen die Umfrageergebnisse, dass eine große Unsicherheit bezüglich der Prüfungsleistungen bestand. Das Entgegenkommen des Fachbereichs und der Prüfungskommission begrüßen wir dementsprechend sehr. Fordern aber gleichermaßen,

  • dass die online verfügbare Lehre auch dementsprechend ausgebaut werden muss, um die Prüfungsvarianten inhaltlich auch individuell gestalten zu können.

Schließlich sollen Prüfungen ohnehin möglichst variabel sein, da genau dies eine Stärke der einzelnen Prüfungsformen und eine Grundlage für ein interessen- und schwerpunktgeleitetes Studium ist.

Abschließend möchten wir noch einmal auf die Notwendigkeit der Beteiligung von Vertretungen der Studierenden hinweisen, welche die Interessen und Anliegen sämtlicher Studierenden vertreten. Nur durch einen Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden kann ein lehrreiches Semester für alle ermöglicht werden, welches den individuellen Bedürfnissen und Problemlagen der Corona-Krise gerecht wird.

Wir appellieren daher an die Hochschulleitungen auch weiterhin die Interessen und Lebenslagen von Studierenden im Blick zu behalten und individuelle Lösungsmöglichkeiten gemeinsam zu erarbeiten. Im Zuge unserer Befragung haben wir auch die Online-Umfrage als wertvolles Medium erlebt, welches Stimmungen von Studierenden adäquat aufgreifen kann und empfehlen daher die Ausweitung einer Umfrage oder eine weitere Umfrage mit allen Studierenden der HWG durchzuführen.

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